VORARLBERG 1938
Geschichte Vorarlbergs | Unterrichtsmaterial
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Kanzler Schuschnigg, Landeshauptmann Winsauer
und Eduard Ulmer, Führer der Vaterländischen Front
Überblick
Dipl.-Ing. Ernst Winsauer wurde 1934 als Nachfolger des zum „Verfassungsminister“ erhobenen Landeshauptmannes Dr. Otto Ender von der ständisch-autoritären Regierung in Wien eingesetzt und nicht mehr wie bisher von den Landesregierungs-Mitgliedern gewählt.
Er glaubte, wie zahlreiche seiner Gesinnungsgenossen aus der inzwischen aufgelösten Christlich-Sozialen Partei, an die Ideale einer vom Papst und der österreichischen Kirche unterstützten neuen „ständischen Demokratie“.
In ihr sollte es keine Parteien und daher auch keinen Klassenkampf geben.
1. Beamtenbürokratie und Diktatur
In der Praxis war diese „ständische Demokratie“ eine Diktatur, in der politische Funktionen durch das Regime nach Gutdünken besetzt und nicht mehr durch das Wahlvolk bestimmt wurden. In Österreich herrschte von da an eine korrupte Beamtenbürokratie, die sich politisch stark an das faschistische Italien anlehnte.
2. Unternehmerinteressen, Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit
Die Arbeiterschaft wurde entmachtet und gezwungen sich Unternehmerinteressen unterzuordnen. Auch wenn der Austrofaschismus nicht jene Gewaltherrschaft wie der Nationalsozialismus ausübte, nahm er doch Anleihen an diesem. Antisemitismus, Demokratiefeindlichkeit, Antimarxismus und Rassismus waren das ideologische Grundgerüst der Diktatur.
3. Austrofaschismus und Nationalsozialismus
Landeshauptmann Otto Ender meinte im Rahmen einer Rede auf dem Parteitag der Vorarlberger Christlichsozialen 1933 in Bezug auf das Verhältnis des Austrofaschismus zum Nationalsozialismus:
„Was gesund ist am Hitlertum, wollen wir aufgreifen und soweit auch verwirklichen, als es für unsere Vorarlberger und für unsere österreichischen Verhältnisse passt […]
Wenn heute endlich die Zeit gekommen ist, wo das Volk verdorbenen Parlamentarismus und leere Strohdrescherei satt hat, dann ist eben der Tag, um unseren Parlamentarismus umzubauen […]
5. Wirtschaftlichen und soziale Probleme
Die wirtschaftlichen und sozialen Probleme bekam der „christliche Ständestaat“ – so die Eigenbezeichnung der Diktatur -- nicht in den Griff. Zu keinem Zeitpunkt gelang es dem Regime, eine Mehrheit der Bevölkerung für die eigene Sache zu begeistern.
Die Vaterländische Front, die neue Einheitspartei, blieb ein Riese auf tönernen Beinen.
6. Widerstand gegen den "Ständestaat"
Sozialdemokraten, Kommunisten und Nationalsozialisten leisteten dem „Ständestaat“ nach der jeweiligen Möglichkeit und auf Basis der jeweiligen Ziele Widerstand. Die Austrofaschisten reagierten auf diesen Widerstand wiederum höchst unterschiedlich.
Sie bekämpften die Opposition von links gnadenlos (Februarkämpfe 1934), während sie der Opposition von rechts trotz deren Putschversuch und zahlreicher Terrorattacken wiederholt das Angebot unterbreiteten, sie in das eigene Herrschaftssystem zu integrieren. Die Nationalsozialisten lehnten allerdings ab.
Von Deutschland aus wurde ab 1933 zunehmend Druck auf die Bundesregierung in Wien ausgeübt.
7. Abkommen zwischen Schuschnigg und Hitler mündet in den Anschluss an Deutschland
Das Juliabkommen 1936 zwischen Bundeskanzler Kurt Schuschnigg und Adolf Hitler war der Anfang des Endes des austrofaschistischen Regimes. Die Nationalsozialisten durften von da an, beinahe ungestört in Österreich agieren – die linke Opposition wurde weiterhin verfolgt.
Mehrere NS-Sympathisanten wurden in die Bundesregierung berufen, unter anderem der Bludenzer Guido Schmidt ins Außenministerium.
Im März 1938 folgten der bejubelte Einmarsch deutscher Truppen in Österreich, der Sturz der austrofaschistischen Diktatur und der „Anschluss“. Österreich verschwand für den Moment von der Landkarte.